Die Opfergruppe

[title size=“2″]Opfergruppe[/title]

Die Erinnerung an Menschen, die der Stimme ihres christlichen Gewissens folgten, stellt einen Lichtblick in der so finsteren Geschichte dieser grauenhaften Epoche dar und gibt Hoffnung für nachfolgende Generationen, dass es möglich ist, der Unmenschlichkeit und Grausamkeit, der Ungerechtigkeit und dem Wahnsinn mutig und unerschrocken durch gelebten Glauben entgegen zu treten.

Als einzige Religionsgemeinschaft haben die Zeugen Jehovas bewiesen, dass man sich der Nazi-Ideologie auch als Gruppe entgegenstellen konnte. Wegen ihrer neutralen Haltung wurden sie Opfer der grausamen Verfolgungsmaschinerie. Durch ihren unerschütterlichen Glauben war es den Zeugen möglich „das Böse mit dem Guten zu besiegen“.

Jehovas Zeugen haben sich von Anfang an geschlossen gegen den Nationalsozialismus gestellt. Sie grüßten nicht mit „Heil Hitler“, waren nicht bereit in Rüstungsfirmen zu arbeiten und lehnten den Wehrdienst ab. Ihr einziges „Verbrechen“, sie gehorchten dem göttlichen Gebot „Du sollst nicht töten“! Sie ließen keinen Zweifel daran, dass sie nicht bereit waren, auf andere Menschen zu schießen, also den Kriegsdienst verweigerten, was im NS-Staat mit „todeswürdiger Wehrkraftzersetzung“ bezeichnet wurde. Im „Sonderheft Kriegs-Kriminalistik für Wehrmacht“, Jg. 1941, hieß es: „Ursache für das Ansteigen der Fälle der Zersetzung der Wehrkraft ist im Wesentlichen die Häufung der Fälle, in denen Ernste Bibelforscher nach ihrer Einberufung die Leistung des Dienstes mit der Waffe verweigert haben. So wurden vom Reichskriegsgericht in der Zeit vom 26. August bis 28. September 1940 in der Heimat allein 152 Verfahren gegen Ernste Bibelforscher wegen Zersetzung der Wehrkraft durchgeführt. Auch von den oben angeführten 117 Todesurteilen wurden 112 in der Heimat gegen Ernste Bibelforscher gefällt.“

Die „Ernsten Bibelforscher“, wie man sie nannte, waren damals eine kleine unbedeutende Gruppe von 25.000 Anhängern in Deutschland (mit ca. 65 Mill. Einwohnern), und 550 in Österreich, und sie galten als Gefahr für das große Deutsche Reich, weil sie nicht bereit waren das System zu unterstützen. 250 Bibelforscher aus Deutschland und 50 Bibelforscher aus Österreich wurden wegen Wehrdienstverweigerung verurteilt und hingerichtet.

Bereits 1929 war in der von den Bibelforschern herausgegebenen Publikation „Goldenes Zeitalter“, dem Vorläufer der Zeitschrift „Erwachet!“, über die Gefährlichkeit des Nationalsozialismus zu lesen und in der Ausgabe vom August 1933 berichtete diese Zeitschrift bereits über die Existenz von Konzentrationslagern, weil sie zu den ersten gehörten (bereits im Juli 1933), die in die KZ oder Vernichtungslager kamen. Es wurden sogar genaue Pläne von diesen Lagern gezeichnet und unter Lebensgefahr in die Schweiz und Amerika geschmuggelt.

Aber man glaubte ihnen nicht – denn so etwas kann es ja gar nicht geben. Eine Strategie des „Nicht wahrhaben Wollens“ wurde vertreten.

Gemäß einer eidesstattlichen Erklärung von Karl Wittig (damaliger Bevollmächtigter General Ludendorffs), hat Hitler am 7.10.1934 geschrien: „Diese Brut wird aus Deutschland ausgerottet werden!“ Letztlich starben 2000 Bibelforscher in Deutschland und 157 in Österreich.

Jehovas Zeugen waren die einzige religiöse Gruppe, die sich von Anfang an geschlossen gegen den Nationalsozialismus stellte, und sie waren auch die einzige religiöse Gruppe, die mit einem eigenen Stigma gekennzeichnet waren, dem LILA WINKEL.

[title size=“3″]Die „ERKLÄRUNG“[/title]

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Die Bibelforscher waren die einzigen, die durch das Unterzeichnen eines Dokuments, kein Bibelforscher mehr zu sein, sofort ihre Freiheit erhalten hätten. Sie taten es nicht. Nachstehende Kommentare von Zeitzeugen belegen, wie sehr die Bibelforscher dafür geachtet wurden.

Weitere Informationen: Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus
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Erklärung im KZ
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[title size=“3″]Zeitzeugen berichten[/title]

„Ich hatte große Achtung vor ihnen, denn sie hätten ja von heute auf morgen freikommen können, wenn sie durch eine Unterschrift ihrem Glauben abgeschworen hätten. Im Grunde waren diese Frauen, die so schwach und ausgemergelt aussahen, stärker als die SS, welche die Macht auf ihrer Seite hatte und alle Mittel aufbieten konnte. Sie hatten Kraft, Willenskraft, und die konnte niemand beugen.“

Geneviéve de Gaulle, Zeitzeugin, Präsidentin der Vereinigung ehemaliger Lagerinsassinnen der französischen Widerstandsbewegung, Standhaft trotz Verfolgung – Jehovas Zeugen unter dem NS-Regime, New York 1966, Watchtower Bible and Tract Society of New York, Inc.
„Wir hatten große Achtung vor den Bibelforschern, denn wir wussten, dass sie nur unterschreiben mussten und dann wären sie frei gewesen.“

Dr. Hermann Lein, Zeitzeuge, Ansprache anläßlich der Gedenktafelenthüllung in der Gedenkstätte Mauthausen am 8. August 1998
„Nur für die Bibelforscher gibt es ein schreckliches Nachspiel. 35 von ihnen haben die Unterschrift im Wehrpass verweigert. Ihr Glaube verbietet ihnen, Menschen zu töten; wenn sie nicht abtrünnig werden sollen, müssen sie den Wehrdienst verweigern. Sie tun es, indem sie keine Unterschrift leisten. Sie haben damit ihr Todesurteil ausgesprochen. Alle bekommen einen schweren Granitstein auf die Schultern und müssen den ganzen Vormittag um den Arrestbunker laufen. In der Mittagszeit stehen sie ohne Essen mit einem Schaufelstiel im Genick und gespreizten Armen, die Augen gegen die Sonne gerichtet, stundenlang! Am Nachmittag kreisen sie wieder ununterbrochen mit den schweren Steinen um den Bunker. Wr zusammenbricht, wird von dem wachhabenden Blockführer geschlagen und in die Arrestzelle geworfen, wo sie elend umkommen. Acht Tage wird diese Tortur fortgesetzt, dann ist der letzte der 35 Bibelforscher gemordet. Es ist ein neunzehnjähriger Bursche, er hat es am längsten ausgehalten. Sein blutverkrustetes Gesicht an den Stein gepresst, wankt er um den Bau, wird immer langsamer, bleibt schließlich stehen, zittert am ganzen Körper und sinkt zu Boden. „Vaterlandsverräter!“ Mit diesem Schimpfwort stößt ihn der Blockführer vollends um, dann schleift er ihn in die Zelle, den letzten von fünfunddreißig …“

Erwin Gostner, Zeitzeuge, Buch: „1000 Tage im KZ“, Ein Erlebnisbericht aus den Konzentrationslagern Dachau, Mauthausen und Gusen, Verlag Wilhelm Burger, Mannheim, 1946
„Da ist etwas, was uns von den Kameraden der Zeugen Jehovas nicht trennt, sondern unterscheidet: sie waren die Standhaften, sie hätten durch eine Unterschrift, dass sie also bereit sind zur deutschen Wehrmacht einzurücken, … von Hitler begnadigt werden können. Die Kommandantur hatte sogar den Befehl, solche Leute binnen 24 Stunden der nächsten Wehrforschungsstelle zu übergeben. Es ist mir – ich kann hier nur von Buchenwald sprechen – kein einziger Fall bekannt, dass ein Bibelforscher diesem Ansinnen gefolgt wäre. Um sich sein Leben durch den Verrat an seiner Einstellung zu erkaufen.“

Mayer Heinz, Zeitzeuge und Präsident des Bundes der Opfer des politischen Freiheitskampfes in Tirol, Ansprache anlässlich der Ausstellung „Die vergessenen Opfer der NS-Zeit“ in der Universität Innsbruck am 9. November 1998

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