Geboren: 29. Oktober 1919 in Hamborn am Rhein, Deutschland
Gestorben: 2. August 1997
Familie: Vater: Wolfgang Mattischek, geb. 1889, 1939 verhaftet, KZ Buchenwald, Wewelsburg, gest. um 1965
Mutter: Theresia Mattischek, geb, 8.9.1889, war von 1940 bis 1945 im KZ Ravensbrück, gest. 30.11.1959
Geschwister: Franz Mattischek, geb. 25. März 1915, 1938 Gefängnis Germersheim, hingerichtet Berlin-Plötzensee 2. Dezember 1939
Wilhelm Mattischek, geb. 15. Juni 1916 in Wolfsegg, gest. 13. Mai 2000
Ernst Mattischek, geb. 23. Dezember 1923, gest. 2000, war kein Zeuge Jehovas und folgte der Einberufung zum Militärdienst
Die Eltern entstammten einfachen Verhältnissen. Ende 1918 wanderte die Familie in das Ruhrgebiet (Deutschland) aus. Der Vater, Wolfgang Mattischek, arbeitete bis 1928 als Kohlenbauer. Er hatte durch die schlimmen Erfahrungen im Ersten Weltkrieg seinen traditionellen Glauben an Gott fast zur Gänze verloren und kam dort mit den „Ernsten Bibelforschern“ in Kontakt. 1919 wurde Hubert Mattischek in Hamborn, Deutschland geboren. 1928 kehrte die Familie nach Österreich zurück und wohnte in Ottnang am Hausruck (Bezirk Vöcklabruck).
Die Zeit des Aufwachsens bis zum 18. Lebensjahr war von Armut geprägt. Die Eltern erzogen die Kinder gemäß ihrem neu erworbenen Glauben. Wegen hartnäckiger Vorurteile von Menschen gegen die Religion der „Ernsten Bibelforscher“ mussten die Kinder sehr leiden. Die schwierige Wirtschaftslage vor dem Anschluss Österreichs an Deutschland führte dazu, dass Hubert Mattischek keinen Beruf erlernen konnte. Trotz seines großen Lerneifers und seiner Wissbegierigkeit konnte er nur die Grundschule besuchen. Während der Schulzeit verdiente er sein Brot durch Gelegenheitsarbeiten bei Bauern. Erst nach dem Krieg übte er das Malerhandwerk aus.
1936 wurde Hubert Mattischek von einer anonym gebliebenen fanatischen Bäuerin im Gebiet von Haag am Hausruck wegen unerlaubten Predigens (Systemzeit Dollfuss-Schuschnigg) angezeigt und in Schwanenstadt zusammen mit dessen Vater Wolfgang vor den Richter geladen. Er bezeichnete sie als pestartige Bibelforscher und drohte Hubert, er würde ihn am liebsten Erschießen. Am Ende gab er ihnen eine Verwarnung. Eine Strafe erfolgte nicht.
[title size=“3″]Verhaftungen[/title]
Da die Familie aus ihrem Glauben nie einen Hehl gemacht hatte, standen sie bald auf „der schwarzen Liste“. Man gönnte ihnen von 1938 bis 1939 – zirka ein Jahr Schonzeit – mit gelegentlich auch guten Angeboten, um sie zu einer Sinnesänderung zu bewegen. Ab dem Frühjahr 1939 zeigte dann das System sein wahres Gesicht. Jedoch war die Familie Mattischek nicht sonderlich überrascht, da sie durch die deutschen Glaubensbrüder gut informiert waren. Viele waren schon seit 1933 in Gefängnissen und Konzentrationslagern eingesperrt.
Als erster wurde der älteste Bruder Franz Mattischek Ende 1938 zur Wehrmacht eingezogen. Weil er diesen Dienst aber verweigerte, wurde er nach der Festung Germersheim am Rhein gebracht, wo er ein Jahr blieb. Am 2. Dezember 1939 wurde er in Berlin Plötzensee enthauptet.
Gleichzeitig wurden dann Bruder Wilhelm und Hubert Mattischek verhaftet. An einem Tag im März 1939 kamen zwei Gestapobeamte in die Wohnung in Attnang-Puchheim und führten eine Hausdurchsuchung nach verbotenen biblischen Schriften durch. Vorsichtshalber hatte Hubert den größten Teil bereits verbreitet und den Rest außerhalb seines Hauses sicher verstaut. Die Hausdurchsuchung erwies sich für die Beamten als eine Enttäuschung. Dann stellten sie Hubert die Frage, ob er einrücken würde. Ohne Zögern erwiderte Mattischek: „Ich werde den Eid verweigern und alles ablehnen, was in Verbindung mit dem Krieg steht.“ Daraufhin verhaftete man ihn auf der Stelle. Anschließend holten sie auch Wilhelm im selben Auto von seiner Arbeitsstelle ab. Sie wurden noch am gleichen Abend ins Polizeigefängnis nach Linz überführt. Dort verbrachten sie 6 Wochen in Untersuchungshaft und trafen auf etwa 20 Zeugen Jehovas.
[title size=“3″]Konzentrationslager Dachau, Mauthausen, Gusen[/title]
Ohne irgendeine Gerichtsverhandlung wurden sie mit dem Zug – mit Handschellen gefesselt – zunächst nach München und dann nach Dachau gebracht. Zu dieser Zeit befanden sich dort bereits 150 Zeugen Jehovas aus Deutschland und Österreich. Hubert Mattischek berichtet:
„Es war ein strahlender Tag und die Sonne schien heiß hernieder. Wir tauschten unsere Kleider gegen die Zebra-Kleidung um. Auf jeden Rock und an jede Hosennaht wurde ein violetter Winkel mit der Nummer aufgenäht. Mein Bruder hatte 33501 und ich 33502. Da ich keine weiteren Dokumente bei mir hatte, wurden Fingerabdrücke abgenommen und ein Foto gemacht. Wir wurden unserer Haare entledigt (kahlgeschoren) und standen dann reihenweise in der heißen Sonne … Dann nach dem Zählapell an der Tausenden standen wir Neuzugänger vor dem allgewaltigen Kommandanten Grünewald. Er inspizierte von jedem einzelnen von uns das Alter und woher wir kommen. Weil ich noch so jung war, sagte er sarkastisch zu mir: „20 wirst du nicht mehr!“ Dann erklärte er den Todesweg vor dem elektrischen Draht, falls wir ihn überschreiten wollten. Von den Türmen würde scharf geschossen und an den Drähten würden wir hängen bleiben wie die Fliegen. Für jedes Lagervergehen und Faulheit bei der Arbeit etc. drohen uns 25 Stockhiebe oder bei Fluchtversuch der Baum. Man wurde darauf an beiden Armen aufgehängt. Flucht bedeute Selbstmord.“
Nach 6 Monaten, im Herbst 1939 kam Hubert Mattischek mit vielen anderen nach Mauthausen. Insgesamt waren 144 Zeugen Jehovas bei diesem Transport dabei. Mauthausen war wegen der harten Arbeitsbedingungen sehr berüchtigt und wurde im Häftlingsmund allgemein als „Mordhausen“ bezeichnet. Das Lager war zu diesem Zeitpunkt erst halb fertig.
Berüchtigt war auch die Lagerführung und die harte Behandlung durch das Wachpersonal. Wenn Zeugen Jehovas in Mauthausen ankamen und im Steinbruch zu arbeiten begannen, sagte der gefürchtete Hauptscharführer Spatzenegger zu den Zeugen, die er auch als „Himmelskomitee“und als „Bibelwürmer“ bezeichnete: „Kein Zigeuner und kein Bibelforscher wird hier lebend wieder herauskommen. Höchstens kommt ihr alle nur durch den Kamin wieder heraus.“
[title size=“3″]Verlockendes Angebot[/title]
Von Zeit zu Zeit erhielten sie verlockende Angebote. Es hätte den Zeugen Jehovas ermöglicht, dieser Todesmaschinerie zu entgehen. Hubert Mattischek berichtet:
„Wir hätten uns die Freiheit erkaufen können durch eine einzige Unterschrift eines gewissen Vordruckes. Doch der Preis wäre für uns zu hoch gewesen. Der Revers verlangte
a) die völlige Abschwörung unseres Glaubens
b) das Verraten von Brüdern, die uns neu anwerben würden
c) die völlige Eingliederung in Hitlers politisches und militärisches System.
Doch da wir eben diese Dinge ablehnten, waren wir ja hierher gekommen. Für uns hätte es Verrat an Gott und an unseren Brüdern bedeutet. So blieben wir aufs Ungewisse in den Lagern.
Eines Tages wurde frühmorgens Hubert Mattischek und seinem Bruder Wilhelm mitgeteilt, sie sollten sich am Tor des Konzentrationslagers Mauthausen melden. Verständlicherweise waren sie nervös und gespannt, als die dorthin gingen. Sie wurden vor den Lagerkommandanten Ziereis gebracht, der von einer Gruppe hochrangiger Parteiführer und auch von einigen SS-Männern umgeben war. August Eigruber, der Gauleiter von Oberösterreich, war auch zugegen. Ziereis machte sich zum Wortführer, wandte sich den beiden zu und sagte: „Der Gauleiter würde euch beide sogleich nach Hause bringen. Alles, was ihr zu tun habt, ist, ein Schriftstück zu unterzeichnen, das besonders für Jehovas Zeugen vorbereitet wurde, und es würden euch jahrelange Beschwernisse im Lager erspart bleiben.“
Schweigen und Betroffenheit herrschten für einen Augenblick, als die Herren aus dem Munde der beiden die entschlossenen Worte vernahmen: „Wir wünschen nicht, Jehova Gott und unserem Glauben untreu zu werden.“ Der Lagerkommandant Ziereis wandte sich wieder den anwesenden Herren zu: „Habe ich es Ihnen nicht zuvor gesagt?“ Offensichtlich hatten sie sich vorher über die Unbeugsamkeit der Zeugen unterhalten.
Ein anderes Mal drohte mir ein SS-Bewacher, mich von einer 30 m hohen Wand im Steinbruch zu stürzen, wenn ich nicht unterschriebe. Er tat es dann doch nicht, aber er ließ mich im Laufschritt Sand auf einen Haufen fahren. Das verbrauchte meine letzten schwachen Kräfte. Abends meldete ich mich im Krankenrevier. Ein Sanitäter, der noch Herz hatte, erlaubte mir ein paar Tage Stubendienst. Den nächsten Tag hätte ich sicher nicht mehr erlebt.
Nachdem Hubert Mattischek noch ca. 1 Jahr im KZ Gusen verbrachte, öffneten sich am 5. Mai 1945 die Tore zur Freiheit. Hubert Mattischek schreibt:
„Ich kann das freudige Gefühl bei der Befreiung nur mit dem Vergleich, von den Toten zum Leben auferstanden zu sein, beschreiben. Denn einen starken Lebenswillen in uns habend, vegetierten wir jahrelang mehr auf tierischer Stufe dahin, ohne viel zu denken, da man in der langen Zeit des Lagereinerleis sich mehr tot als lebend fühlte, da man ständig den Tod durch Verhungern, Schwäche oder Kälte vor Augen hatte. Nur die Hoffnung auf die Verheißungen Gottes gab uns die Kraft auszuharren.“
Zusammen mit seinem Bruder Wilhelm kehrte er in seine Heimat zurück.
Auszug aus einem Interview mit Hubert Mattischek aus dem Jahre 1995:
Nach meiner Heimkehr kamen im Laufe der Zeit, bis auf unseren Franz, alle wieder heim, aber nicht ohne Schaden, doch in Freuden, allen Freunden und Bekannten von unserer wunderbaren Befreiung zu erzählen. Das Leben musste ja wieder weitergehen. Unsere mehr oder weniger verschonten Brüder im In- und Ausland halfen uns materiell und noch mehr geistig, ins normale Leben hinüberzuwechseln. Anfänglich wurden wir Zeugen Jehovas, da wir unpolitisch sind, je nach Land und Ort wieder mehr oder weniger mit Vorurteilen konfrontiert. Am liebsten hätte uns manche hochstehender Beamte gar keine Art der Wiedergutmachung vergönnt. „Ihr habt es euch ja selbst zuzuschreiben. Hättet ihr oberflächlich mitgemacht, wie alle, dann wäre euch das nicht passiert.“ Solche Worte oder Andeutungen konnte man mehr oder weniger offen immer wieder heraushören und hört man noch.
Das Trauma des erlebten bleibt uns jedoch. … 50 Jahre nach meiner Befreiung stehe ich nun, von meinen Eltern freiheitsliebend erzogen, mehr denn je für Glaubens- und Gewissensfreiheit ein und „kämpfe“ in Wort und Tat dafür. Auf Einladung hin, habe ich auch schon vielen unerfahrenen Jugendlichen, ja ganzen Schülergruppen, helfen können, ein genaues Bild der damaligen Zeit zu erhalten. Ich hoffe, dass ich auch mit dieser Schilderung, zumindest einigen Menschen, besonders unserer so gefährdeten Jugend, helfen kann, sich vor Fehlinformation und falscher Propaganda irgendwelcher Art zu hüten und sich lieber auf das Zeugnis jener Zeugen zu stützen, die eine Zeit überlebten, die Historiker als eine „Zeit ohne Gnade“ bezeichnet haben.
Überblick über die Gefängnisaufenthalte
20. März bis 5. Mai 1939 Polizeigefängis Linz, Langgasse
5. Mai bis September 1939 KZ Dachau
29. September 1939 bis Mitte 1944 KZ Mauthausen
Mitte 1944 bis 5. Mai 1945 KZ Gusen I
bis Juli 1945 Gesundheitspflege durch das amerikanische Militär
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.