Geboren am: 3. April 1868 in St. Martin Pettau, Jugoslawien
Wohnhaft: ab 1926 Graz Grünegasse 43; ab 1945 Graz Lendplatz 28 bei Florian
Vater:
Mutter: Johanna Sagaischek
Ziehmutter für Olga Siak (Lebensbericht: Olga Siak Haring)
Beruf: Haushalt
Heirat: 1909 mit Michael Schunko; er starb 1917 im 1. Weltkrieg
Tochter: Maria Schunko, geb. 1907 (gestorben 1942 im KZ Nebenlager Bernburg)
Religion: 1932 Austritt aus der röm.kath. Kirche, Zeugin Jehovas
Verstorben 17.11.1948
Verhaftet 7.11.1939 19 Uhr – 14.12.1939 im Polizeigefangenenhaus Graz Paulustor und Landesgericht Graz
Stolpersteinverlegung: 23. Oktober 2021, Graz, Grüne Gasse 43
Johanna wurde 1868 in der damaligen Südsteiermark in Pettau (heute Ptuj in Slowenien) geboren und wuchs dort auf und besuchte nur die VOlksschule. Ab dem 9. Lebensjahr wurde sie von ihrer Tante Anna Mark in Oberteibling großgezogen, wo sie bis zu ihrem 18. Lebensjahr blieb.
Johanna kam 1903 mit 35 Jahren als Dienstmädchen nach Graz, wo sie kurz darauf ihren Mann Michael Schunko kennenlernte und 1909 heiratete. Sie war schon 41, als 1907 ihre einzige gemeinsame Tochter Maria zur Welt kam. Ihr Mann fiel 1917 im 1. Weltkrieg. Sie bezog daraufhin Witwenpension. Politisch betätigte sie sich nie, aber seit 1928 – sie war immerhin schon 60 Jahre alt – begann sie sich mit verschiedenen Religionen, u.a. den Methodisten zu beschäftigen.
1932 besuchte sie zusammen mit ihrer Tochter erstmalig Vorträge der Bibelforscher (besuchte sie eventuell das Schöpfungsdrama?), wie ZJ damals noch genannt wurden. In diesem Jahr trat sie auch aus der r.k. Kirche aus und schloss sich den Bibelforschern an.
In ihrer Wohnung fanden ab 1935 – ab diesem Jahr mussten die Zeugen Jehovas aufgrund des Verbots durch die Austrofaschisten in den Untergrund gehen – immer wieder religiöse Treffen statt. Es trafen sich dort zum gemeinsamen Lesen in der Bibel außer ihrer Tochter Maria, deren Freundin Olga Siak, Helene Murn, die ebenfalls in der Grünegasse wohnte, Josefine Rainer und Johann Haring.
Tochter Maria lebte bei ihrer Mutter, als sie 1936 mit 29 Jahren, aus noch unbekannten Gründen entmündigt wurde und schließlich in den Grazer “Feldhof” eingeliefert wurde. (1939 war sie laut Olga Siak bereits im Grazer Feldhof (Gestapoprotokoll Olga Siak vom November 1939).
Laut Meldekartei wurde sie 1942 von der elterlichen Wohnung mit „verstorben Feldhof?“ abgemeldet. Olga Siak schrieb, dass Johanna Schunko ihre Tochter „auf tragische Weise verloren“ hatte. (Wurde sie Opfer der NS-Euthasie?)
Johanna fand in Olga Siak, die bereits seit 1934 bei Johanna Schunko wohnte, eine fürsorgliche Ziehtochter.
Im April 1938 warteten die beiden schon darauf verhaftet zu werden, weil sie nicht zur Wahl gegangen waren. Olga erinnert sich:
„8 Tage vorher, war ein S.S. Mann zu uns gekommen, der gleich bei der Tür herein sagte, er habe gehört, dass wir nicht zur Wahl gehen, wir haben zwar zu niemand darüber gesprochen, aber wahrscheinlich hat jemand an unserer einfachen Wohnungstür gehorcht. Und zwar unsre damalige Hausfrau, die uns auch später bei der Gestapo anzeigte. Der S.S. Mann war außerordentlich höflich, riet uns zwar, doch zur Wahl zu gehen, um allen Unannehmlichkeiten auszuweichen. Wir fragten ihn ob es ein Gesetz gäbe, das uns dazu zwänge, er betonte immer wieder, die Wahl sei frei! Er gab uns sogar seine Anschrift: falls wir Hilfe brauchten sollten wir uns an ihn wenden
Dann kam dieser lO. April 1938.Eingedenk dessen, das wir von Deutschland gelesen hatten, waren wir auf das Ärgste gefaßt. Ab 8 Uhr kamen sie abwechselnd mit Auto und Fiaker, um uns zu holen. Es waren meistens S.A.Männer, teils auch SS. Sie redeten uns gütigst zu und betonten, das sie sogar Klosterschwestern dazu gebracht hätten, zur Wahl zu gehen. … Aber wir hatten für alle die Bibel bereit. Und zwar in erster Linie die Stelle aus Apg.4:l2 wo gezeigt wird, dass wir das Heil nur von Christus erwarten und dann hatte ein Bruder- noch eine Stelle gefunden, die bei allen, die sie lasen, wie eine Bombe einschlug. Ich muß heute noch lachen, wenn ich an die überraschten Gesichter denke, als sie diesen Vers lasen, Jesaja 41:24 sagt, gemäß Luther, ähnlich auch Elberfeld. „Siehe, ihr seid aus nichts, und euer Tun ist auch aus nichts, und euch wählen ist ein Greuel“ —Immer wieder lasen sie diese Worte, keinem fiel es ein, das vorhergehende oder das nachfolgende zu lesen, dann hätten sie merken müssen, das dies mit einer politischen Wahl gar nichts zu tun hat. Sie murmelten nur immer wieder, na das sowas in der Bibel steht und dann gingen sie, ohne uns mitzunehmen.13 mal kamen sie an einem Vormittag, dann hatten wir Ruh. Unser Nachbar, der Taxifahrer in der Stadtmitte war, erzählte uns am Abend, das man sogar am Hauptplatz davon gesprochen hatte, dass sie drei „narrischen Weiber“ von der Grünegasse, wo wir damals wohnten, nicht zur Wahl gegangen waren. Alle Hausparteien hatten uns gesagt, dass wir deswegen großes Unheil zu erwarten haben, aber nichts dergleichen geschah, obwohl wir vollständig angekleidet zu Bett gingen, da wir wußten, das die Gestapo am liebsten zwischen 1-2 Uhr morgens kam.“
Verhaftung
Im November 1939 wurde die bereits 71jährige Johanna Schunko mit ihrer Ziehtochter Olga verhaftet. Sie wurden schon längere Zeit beobachtet und schließlich wegen ihrer Bibeltreffen angezeigt.
„Zuerst kamen wir für zirka lo Tage ins Polizei-Gefängnis, das überfüllt war mit zweifelhaften Frauen, die man von der Strasse zusammengefangen hatte und meistens auch noch angesteckt waren. Das waren einige schlimme Tage, die Zelle dreifach vergittert, die Verdunkelungsrollo zu 2 Drittel herunten, so das man kaum das Tageslicht sah. Mutter und ich waren streng getrennt und ich durfte mich nicht einmal nach ihrem Gesundheitszustand erkundigen. Sie war schon 71 Jahre, als wir verhaftet wurden, aber trotz ihrer körperlichen Gebrechen geistig äußerst tapfer. Die Verhöre, denen wir täglich unterzogen wurden, waren uns keine Last, sie waren so richtig geistige Kämpfe, die mich direkt erfrischten.
Johanna wurde die sogenannte Verpflichtungserklärung vorgelegt, die ihr ermöglicht hätte, sofort frei zu kommen. Sie weigerte sich allerdings mit den Worten: „Die mir von der geheimen Staatspolizei vorgelegte Erklärung kann ich nicht unterschreiben, weil ich von Gott Jehova und der internationalen Bibelforschervereinigung nicht Abstand nehmen kann.“ (Gestapoprotokoll)
Daraufhin wurde sie zusammen mit Olga in das Landesgereicht überstellt, worüber Olga berichtete:
„Einige Tage später wurden wir in das Landesgericht überstellt, was in jeder Hinsicht gut war. Die Zelle war hell und sonnig, die Frauen durchwegs nett, meist wegen Schwarzhören in Haft und vor allem, war es dort sehr reinlich. Als uns der Richter, ein älterer Jurist in Empfang nahm und die Akten durchblätterte, schüttelte er den Kopf und sagte: „Wegen dem Bibellesen wurden Sie verhaftet, das ist doch nicht verboten! Von ihm aus, meinte er könnten wir sofort nach Hause gehen. Aber, zischte er dann zwischen den Zähnen hervor, „diese Buben da oben“, er meinte die Nazis haben ja mehr Macht als wir gelernte Juristen. …
Mehr Sorge machte mir das Befinden meiner [Zieh-] Mutter, die körperlich sehr litt, da sie diese Kost nicht vertrug. Ich erfuhr das durch Zufall, denn sprechen durfte ich nie mit ihr wegen „Verabredungsgefahr“….
Einmal in der Woche konnte man sich zum Richter oder Arzt melden. Die Frauen in meiner Zelle gaben mir den Rat, ich solle beim Richter um Freilassung für die [Zieh-] Mutter ansuchen, was ich auch tat.“
Entlassung
Am 14.12.1939 wurde das Strafverfahren eingestellt und Johanna konnte zusammen mit Olga in ihre Wohnung zurückkehren. Olga berichtete:
„Einige Wochen später wurde ich zum Richter gerufen, denselben, den ich eingangs erwähnte und er machte mir die Eröffnung, dass dem Ansuchen stattgegeben worden war und die [Zieh-] Mutter frei sei. Wie glücklich ich war, als ich dies hörte, ein Sten fiel mir vom Herzen und ich dankte nicht nur dem Richter, sondern vor allem [meinen Gott] Jehova. Alles andere, was nun kommen sollte, würde ich nun leichter tragen, denn ich rechnete noch immer mit dem Abschub ins KZ. Man hatte der alten Frau [Ziehmutter Johanna Schunko] ihre Freistellung schon mitgeteilt, aber sie hatte gesagt: „So lange meine [Zieh-] Tochter nicht nach Hause darf, geh ich auch nicht!“ So etwas war dem Richter noch nicht untergekommen, er lachte herzlich und ich auch. Dann wurde er wieder sehr ernst und sagte zu mir: „Mit ihnen steht es leider schlechter, denn der Staat versucht durch die lange Haft ihre Überzeugung zu brechen!“ Dann schob er seine Akten zusammen und war bei der Tür draußen, noch bevor ich ein Wort erwidern konnte. … ich fühlte mich so richtig befreit und rechnete mit dem baldigen Abtransport ins KZ. Denn damit hatte man mir bei der Gestapo ja oft gedroht und ich wusste, dass schon viele Schwestern diesen Weg gegangen waren. Ich schlief wunderbar in dieser Nacht und ahnte nicht, was nächsten Tag sein würde. Am nächsten Morgen um 7 Uhr erhielt ich die Weisung mein Bündel zu packen, ich werde der Gestapo überstellt, aha, dachte ich und von dort ins Lager. Aber siehe da, 2 Stunden später waren wir beide in Freiheit.“
Johanna und Olga mussten nach der Haftentlassung immer wieder mit finanziellen Problemen kämpfen – sie verloren dreimal ihre gesamtes Hab und Gut – erlebten aber auch große Unterstützung vor allem durch Olgas Arbeitgeber, der Geschäftsfamilie Florian.
„Auf alle Fälle haben wir weiterhin für dieses Haus gearbeitet, obwohl der Chef gewarnt worden war, uns beide nach der Haftentlassung keine Arbeit mehr zu geben, da wir nach wie vor als „Volksfeinde“ zu betrachten wären. Er lachte nur über diese Warnung und sagte, solange er lebe, werden sie beide gut zu uns sein. Tatsächlich hatte diese Frau uns noch am selben Tag, als wir frei gingen, einen großen Pack voll Lebensmittel gesandt, sodass wir die Tage ohne Karten leicht überbrücken konnten. Sie beide waren um diese Zeit von dem neuen System schon so enttäuscht worden, dass sie uns auch in Zukunft viel Gutes taten.“
Letzte Kriegsmonate
„Dann kam die Bombenzeit, die bei uns, im Vergleich zu Deutschland, nur kurz war, aber es hatte uns gereicht. Wir wohnten in einem 2 stöckigen Haus, das ganz frei stand, neben einer Gärtnerei, mit sehr vielen Glashäusern. Dieser galt wahrscheinlich der Angriff, der uns Anfang Jänner 1945 erwischte. 2 Volltreffer ins Haus und 15 Trichter rundherum. Wir hatten kaum Zeit in den Keller zu gelangen, dann war schon alles vorbei. Die übrigen Parteien, die sonst immer in den Schlossbergstollen gegangen waren, hatten diesmal nicht einmal Zeit ihre Schuhe anzuziehen. Dadurch, dass sie neben uns stehengeblieben waren, hatten sie ihr Leben gerettet, im Luftschutzraum wären sie alle tot gewesen. Kein Mensch dachte, das aus diesem Trümmerhaufen, auch nur einer lebend herauskommt. Tatsächlich sagten sogar Ungläubige, das ein Wunder geschehen war. Eine Kundin, die zwar sehr religiös, aber trotzdem immer in Furcht vor den Bomben lebte, sagte zu mir: Eure Hausleute könnten sich bei euch bedanken, denn euer Gott hat euch errettet.“
Nun stand ich auf der Straße, im knietiefen Schnee, in der linken Hand eine Tasche mit ein paar Habseligkeiten, an der Rechten meine alte Mutter, nun hatte ich zum dritten Mal im Leben Hab und Gut verloren. Jehova hatte auf wunderbare Weise unser Leben geschützt und würde uns auch wieder ein Dach geben, davon waren wir überzeugt Wir hatten auch keine einzige Träne vergossen, obwohl Mutter am Ende ihrer körperlichen Kräfte war, waren wir keineswegs entmutigt.“
Johanna und Olga wird von Familie Florian am Lendplatz eine neue Wohnung Verfügung gestellt, wo Johanna bis zu ihrem Tod am 17.11.1948 von Olga betreut leben kann. Sie wurde 80 Jahre alt.
Anm: Rechtschreibung wurde nicht korrigiert
Quellen:
Erinnerungsbericht Olga Haring geb. Siak vom 9.3.1971
Landesarchiv Graz: Gestapoberichte vom Dezember 1939
Meldekartei Johanna Schunko
Meldekartei Maria Schunko
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Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Graz am 14. 11.1939 B,Nr. 2265/39 II B
Schlussbericht:
Bei den am 8.11.1939 vom Gefertigten an Ort und Stelle gepflogenen Erhebungen wurde folgendes festgestellt.
Die Witwe Johanna Schunko, Olga Siak, Josefine Rainer und Johann Haring betätigen sich schon seit Jahren aktiv für die verbotene Sekte der internationalen Bibelforschervereinigung. Bis zum Verbote der Sekte wurden von diesen Personen die Versammlungen der Bibelforscher besucht. Seit dem Verbote der I.B.V. setzten die Beschuldigten ihre Tätigkeit für die verbotene Sekte dadurch fort, dass sie in der Wohnung der Johanna Schunko in unregelmäßigen Abständen, sogenannte Gebetsstunden abhielten. Die letzte Gebetsstunde soll ca vor 4 Wochen gewesen sein.
Johann Haring wurde bereits am 23.10.1939 wegen § 5 KSoStRVO festgenommen und dem Gefangenenhaus des Landgerichtes eingeliefert. Er befindet sich derzeit dort in Untersuchungshaft.
Sämtliche Personen sind fanatische Anhänger der I.B.V. und es besteht keine Aussicht, dass sie jemals ihre Haltung ändern werden. Ihre Einstellung zur Bibelforscherei ist umso gefährlicher als sie sich bis zur ihrer Festnahme durch das Abhalten der Gebetsstunden aktiv für die I.B.V. beätigt haben.
Die Witwe Johanna Schunko, Olga Siak und Josefine Rainer wurden am 8.11.1939 wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen und dem Polizeigefangenenhaus in Graz eingeliefert. Sie werden nach Abschluss der Erhebungen dem Landesgericht eingeliefert und der Staatsanwaltschaft wegen Vergehen nach § 304 österr. StG angezeigt. Unterschrift: Engelschall Krim.Angest.
Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Graz B.Nr. 2265/39 vom 15. November 1939 an die Staatsanwaltschaft in Graz
Betrifft: Schunko Johanna und Genossen, verbotene Betätigung als Bibelforscher.
In der Anlage überreiche ich die Vernehmungsschriften gegen Schunko Johanna und Genossen mit dem Antrag auf Erteilung des Strafverfahrens.
Aus dem Geständnis der Beschuldigten geht hervor, dass sie sich scon seit Jahren für die verbotene Sekte der internationalen Bibelforschervereinigung betätigten. Sie geben selbst zu, vor 4 Wochen in der Wohnung der Johanna Schunko, Graz, Grünegasse 43 zur Abhaltung einer Gebetsstunde zusammengekommen zu sein.
Johanna Schunko und Genossen werden dem Landgerichte Graz überstellt. Haring Johann befindet sich seit 23.10.1939 im Gefangenenhaus des Landesgerichtes Graz in Untersuchungshaft und Josefine Rainer wurde entlassen, weil sie als Hausgehilfin einer Wöchnerin derzeit ………..
Zur Person:
Ich wurde als Tochter der Köchin Johanna Gaischek in St. Martin in Jugoslawien geboren. Schulen habe ich fast keine besucht. Mit meinem 9. Lebensjahr kam ich zu meiner Tante Anna Mark in Oberteibling und wurde von ihr bis zu meinem 18. Lebensjahr aufgezogen. Im Jahre 1903 kam ich nach Graz und habe als Dienstmädchen Arbeiten verrichtet. Im Jahre 1904 oder 1905 zog ich zu meinem Mann und lebte mit ihm bis zu unserer Hochzeit welche im Jahre 1909 stattfand, zusammen. Im Jahre 1917 fiel mein Mann im Krieg und von dieser Zeit beziehe ich eine kleine Rente als Kriegswitwe. Einer politischen Partei oder Organisation habe ich nie angehört und gehöre auch heute keiner an.
Zur Sache:
Im Jahre 1928 besuchte ich die Vorträge der Theosophisten in der Wielandgasse, konnte mich mit ihrem Programm nicht zufriedenstellen und fand im Jahre 1932 Anschluss bei der Sekte der internationalen Bibelforschervereinigung. Die Vorträge bei der internationalen Bibelforschervereinigung besuchte ich in der Schwechater und beim Sandwirt. Den letzten Vortrag dürfte ich im Jahre 1935 besucht haben. Die meisten Vorträge wurden von Herrn Bayer (Anm. Payer) abgehalten. Anonsten sind mir keine Vortragenden den Namen nach bekannt. Bei den Versammlungen waren mir nur meine Tochter Maria, Frl. Olga Siak und Frau Murn Helene, wohnhaft in Graz, Grünegasse 39 bekannt. Die Versammlungen waren immer sehr stark besucht.
Durch immerwährendes Lesen der hl. Schrift und Besuchen der Vorträgen der I.B.V. habe ich erkannt, dass die hl. Schrift die wahre Lehre Christi ist. Im Jahre 1932 bin ich auch aus den selben Gründen aus der röm. kath. Kirche ausgetreten und habe mich als freistehende Christin erklärt.
Die Gesetze des Staates kann ich solange achten, solange sie mit den Gesetzen Gottes übereinstimmen. Da mir meine Lehre vorschreibt, dass ich Gott mehr gehorchen muss als den Menschen, kann ich die Gesetze des Staates nicht achten, wenn sie mit den Gesetzen Gottes nicht übereinstimmen. Einer politischen Organisation oder einer Organisation im Sinne der Kriegswirtschaft kann ich auf Grund meines Glaubens nicht teilnehmen.
Heute sind mir noch als Bibelforscher folgende Personen bekannt:
Frl. Olga Siak, Frl. Josefine Rainer, Frau Endstrasser Ernestine und die Frau Murn Helene. In meiner Wohnung wurden nie Gebetsstunden abehalten und ich habe auch sonst nirgens solche besucht.
Die mir von der Geheimen Staatspolizei vorgelegten Erklärung kann ich nicht unterschreiben, weil ich von Gott Jehova und von der internationalen Bibelforschervereinigung nicht Abstand nehmen kann. Unterschrift: Engelschall Krim.Ang. und Johanna Schunko
Nachbericht:
Seit die Josefine Rainer von Wien zurückgekommen ist, besuchte sie mich des öfteren Sonntags und am Abend mancher Werktage. Bei diesen Zusammenkünften haben wir aus der Bibel gelesen und Kapiteln besprochen. Anwesend waren ich, Frl. Olga Siak, Frl. Josefine Rainer, wohnhaft in Graz, Wienerstraße 53, Hans Haring, Endstrasser Karl, welcher sich derzeit in Wien in Haft befindet und manchmal auch die Frau Helene Murn, wohnhaft in Graz, Grünegasse 39. In den meisten Fällen hat das Fr. Olga Siak aus der hl. Schrift vorgelesen. Auch wurde über die vorgelesenen Kapiteln gesprochen. Das letzte Zusammentreffen war ca. vor 4 Wochen. Bei diesen Zusammentreffen waren nur ich, Frl. Olga Siak und das Frl. Josefine Rainer anwesend. Ich selbst habe nie aus der hl. Schrift vorgelesen. Unterschrift: Engelschall Krim.Ang. und Johanna Schunko
Geschäftszahl 2589/39 Vernehmung des Beschuldigten
Landgericht Graz, Conr.v. Hötzendorfstr. 41, Abt. 11 am 18.11.1939
Richter G. Assessor Dr. Ozeipek, Schriftführer G.S.Koch
Ich fühle mich nicht schuldig.Ich wurde am 8.11.1939 von der Polizei in Graz unter dem Verdachte der verbotenen Betätigung als Bibelforscher verhaftet. Ich nehme zur Kenntnis, dass über mich bis zum Einlangen der Anzeige u.d. st. Antrages die Verwahrungshaft verhängt wird. Unterschrift Johanna Schunko
Fortgesetzt am 24.11.1939 LGR Dr. Knaipp, Landesgericht Graz, Conr.v.Hötzendorfstr. 41 (Fortsetzung auf Protokoll vom 18.11.39)
Ich kann nur gleichlautend verantworten, wie vor der Geheimen Staatspolizei.
Ich bin im Jahre 1932 aus der römisch katholischen Kirche ausgetreten weil ich gesehen habe, dass diese Religion nicht von Gott stammen könne, zumal ich mein gesamtes Vermögen verloren habe, das ich mir ehrlich erworben habe. Ich halte also diese Religion als von Menschenhand geschaffen und deshalb für mich nicht verbindlich. In der Wielandgasse habe ich auch einige Vorträge der Methodisten angehört. Auch diese Lehre hat mich von der Richtigkeit des Gottesglaubens nicht überzeugt, weshalb ich dieser Sekte nicht beigetreten bin. Ich glaube es war dies im Jahre 1928, als ich einige Vorträge besuch hatte. Dabei hatte ich einmal eine gedruckte Bibel gekauft, die ich zum Studium und zur religiösen Vertiefung bis zur letzten Zeit gebraucht habe.
Die Mitbeschuldigten Personen, die in meiner unmittelbaren Nähe wohnen sind mir schon seit langen Jahren bekannt und ist es richtig, dass sie sich etwa alle 14 Tage einmal in meiner Wohnung eingefunden haben, wo wir gemeinsam religiöse Betübungen durch Lesen der Bibel veranstaltet haben. Ich glaubte dadurch keine strafbare Handlung zu begehen. Ich bemerke ausdrücklich, dass ich der Sekte der Bibelforscher nicht angehöre, sondern, dass ich eben die Bibel als das von den Propheten geschriebene Wort Gottes anerkenne und nach denLehren und Geboten Gottes mich halte. Ich habe nie eine diesbezügliche Erklärung unterschrieben oder Mitgliedsbeiträge dafür bezahlt. Ich wurde auch nicht zu dieser Sekte geworben. Vielmehr habe ich Vorträge der Bibelforscher im Jahre 1935 in Graz besucht, die in der Schwechater Birhalle, beim Sandwirt usw. stattgefunden haben. Ich habe wie schon erwähnt, niemals eine Beitrittserklärung zur Sekte der Bibelforscher abgegeben und füphle mich deshalb auch nicht dieser Sekte angehörig.
Ich fühle mich deshalb einer strafbaren Handlung nicht schuldig und bitte im Hinblick auf mein Alter von 71 Jahren um Entlassung aus der Untersuchungshaft.
Ich verspreche, dass ich in Hinkunft in meiner Wohnung keine Betstunden mehr mit anderen Personen veranstalten wrde.
Verkündigung des Beschlusses auf Einleitung der VU wegen Verdachtes des Vergehens nach § 304 StG. und Verhängung der UH nach §§ 175, Zl. 3,4,180 StPO.RMB
Ich nehme dies beschwerdelos zur Kenntnis. Unterschrift Johanna Schunko
Fortgesetzt am 12.12.1939
Ich kann auch nicht annähernd sagen, wann das letzte Zusammentreffen in meiner Wohnung stattgefunden hat, wobei aus der Bibel gemeinsam gelesen wurde.
Wenn ich bei der Vernehmung der geh. Staatspolizeit am 8.11.1939 angegeben habe, dass dies vor etwa 4 Wochen war, so wird dies schon richtig sein.
Es ist schon möglich, dass die … Siak recht hat, dass das letzte gemeinsame Bibellesen im Frühsommer 1939 war.
Ich kann mich daran nicht erinnern, wann es das lezte Mal war.
Ich bin zufolge meines hohen Alters von 72 Jahren schon vergesslich. Schunko Johanna.
Fortgesezt am 14. Dezember 1939. Gegenw.: LGR Dr. Knaipp Eisner
Ich nehme zur Kenntnis, dass das Strafverfahren gegen mich wegen § 304 StG. auf Grund des Gnadenerlasses des Führers und Reichskanzlers vom 9.9.1939 eingestellt wurde und ich an die Geheime Staatspolizei in Graz überstellt werde. Ich begebe mich nach Entlassung von der Gestapo nach Graz, Grünegasse 43.
(Anm.: Rechtschreibfehler wurden nicht korrigiert)
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